"Aktion Frau"
Bericht über ein Projekt in der Wohnstätte Linden
Frauen mit Behinderungen werden unter anderem aufgrund von Intersektionalität in Einrichtungen wie Wohnstätten mit verschiedenen Formen von Gewalt konfrontiert. Nicht ernst genommen zu werden, ist nur der Anfang. In der Wohnstätte Linden nehmen wir unsere Frauen sehr ernst.
Der Kerngedanke und die Zielorientierung bei der Konzipierung sind „Women's Empowerment“, also die Ermächtigung der Frau. Im Rahmen einer Projektarbeit wurde gemeinsam mit den zwei Teilnehmerinnen die „Aktion Frau“ ins Leben gerufen, um mit unseren Frauen in einer Gemeinschaft stärker zu werden.
Die „Aktion Frau“ soll nicht nur mehr Aufmerksamkeit auf die Frau und ihre individuellen Bedürfnisse besonders im Kontext Wohnstätte lenken, sondern den Bewohnerinnen einen Schutzraum (von unseren Bewohnerinnen „Frauenkreis“ oder einfach „Frau“ genannt) bieten, in welchem sie sich gehört, gesehen und sicher verbunden fühlen können.
Verschiedene Dimensionen des Frauseins
Im Rahmen der Aktion gehen die Teilnehmerinnen nicht nur auf eine komplexe und auch schwierige Erkundungssuche, um sich mit den verschiedenen Dimensionen des Frauseins, welche oftmals stereotypisch auf Ästhetik oder Emotionalität reduziert wird, zu beschäftigen, sondern setzen sich aktiv auch mit dem lebenslangen Prozess der Selbstfindung auseinander, um so eine ganz individuelle Definition des Frauseins für sich zu kultivieren und ihrem Ideal-Selbst sukzessiv näherzukommen.
Wer BIN ich und wer WILL ich sein? Demnach werden die zentralen Themen von den Teilnehmer*innen dirigiert, in verschiedenen Aktivitäten innerhalb des Projekts verankert und ausgearbeitet. Das Projekt stellt keine reine Wissensübermittlung dar. Hier haben alle Teilnehmerinnen den nötigen Raum, um sich zu begegnen, in den Diskurs zu kommen und sich als Lernpartnerinnen zu unterstützen.
Achtsamkeit entwickeln
Um einen Grundbaustein für die bevorstehende Zusammenarbeit zu legen, werden die Teilnehmerinnen konstant zur aktiven Achtsamkeit gegenüber der eigenen sinnlichen Wahrnehmung des Körpers und des Gemütszustands animiert. Sie lernen nicht nur die basalen Signale ihres Körpers zu identifizieren, sondern diese auch zu interpretieren und in selbstregulierende Maßnahmen in Form von Handlungen oder Kommunikation zu übersetzen. Wir unterhielten uns über ihr generelles Frauenbild und sammelten die Ergebnisse auf einer Collage. Was bedeutet es für mich, eine Frau zu sein? Wellness, Kosmetik, Mode, Kunst.
In einer weiteren Einheit kamen wir ins Gespräch und machten uns über ihre eigenen Interessen und Vorlieben Gedanken. Was ist für MICH wichtig als Frau? Das eigene Geld, das Arbeitsverhältnis, der eigene Körper, die Menstruation, Liebe, Sexualität und auch Ängste.
Diese Themen wurden unter anderem mit Lektüren in Leichter Sprache wie „Nein heißt Nein!“ von Unvergesslich Weiblich und diversen Heften von pro familia begleitet. Hier konnten die Frauen mit Fragen ihren Wissensdurst stillen, Stellung zu ihrer Perspektive nehmen und vor allem ihre Erfahrungen in einem sicheren Raum teilen.
Kreativangebote in den Aktivitäten-Pool integrieren
In der Zukunft werden ebenfalls auf Wunsch der Teilnehmerinnen Kreativangebote wie das Basteln von Freundschaftsketten oder das Töpfern in den Aktivitäten-Pool integriert. Rituale wie die „Warme Dusche“ (eine Komplimentenrunde) und die gemeinsame Reflexionsrunde zum Abschluss jeder Einheit geben den Frauen eine Struktur und eine sichere Konstanz, um sich nicht nur selbst in einem positiven Licht zu sehen, sondern auch einen dezentralisierten Denkprozess zu aktivieren und mit dem Kompliment auch in die Position des Gebens zu kommen.
Dies wirkte sich überragend auf das Selbstkonzept und demnach auch auf das Selbstbewusstsein der Frauen aus. Sie stehen für ihre Bedürfnisse ein und sind in der Lage, diese nun selbstbewusster zu kommunizieren. In den vergangenen Monaten haben sich neue Freundschaften und Partnerschaften gebildet, die sich für unsere pädagogische Arbeit wie eine frische Brise anfühlen.
Die herausragende und rasante Entwicklung der zwei Teilnehmerinnen und die Auswirkung auf die gesamte Bewohnerschaft füllen das Herz des ganzen Teams mit Stolz und Freude auf die kommende Weiterentwicklung unserer Frauen. Die „Aktion Frau“ wird perspektivisch in der Wohnstätte Linden weitergeführt und erwartet fortgesetzten Erfolg durch Kontinuität, Sicherheit und Gemeinschaft.
(von Panita Rohlfing, Wohnstätte Linden)