Auch Lebenshilfe fordert mehr Lohn für ihre Werkstattbeschäftigten

Samstag, 2. Dezember 2023

Stellungnahme: Reform des Entgeltsystems überfällig / Bundestag ist am Zug / Gesetzespaket gerade in Arbeit

Pohlheim (-). Die Lebenshilfe Gießen bietet in sechs Werkstätten in Stadt und im Landkreis Gießen über 900 Menschen mit Behinderung oder psychisch-chronischen Erkrankungen einen auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Beschäftigungsplatz. Aktuell erhalten Werkstattmitarbeiterinnen keinen Mindestlohn, sondern erfahren - neben ihrem Werkstattlohn - Grundsicherung vom Amt oder eine Rente aufgrund voller Erwerbsminderung, um die Lebenshaltungskosten abzudecken. Seit Jahren setzt sich die Lebenshilfe Gießen, betont Lebenshilfe-Vorstand Dirk Oßwald, proaktiv für eine bundesweite Reform dieses umständlichen und unbefriedigenden Entgeltsystems ein und weist im Kontext eines kürzlich erschienenen Interviews mit der grünen Europaabgeordneten Katrin Langensiepen in der Gießener Allgemeinen (2. Dezember 2023), in der die Entlohnungen in den Werkstätten zurecht kritisiert werden, ausdrücklich auf ihre Position hin.

„Als Lebenshilfe Gießen monieren wir, ebenso wie weitere Träger der Behindertenhilfe sowie viele direkt betroffene Beschäftigte, die Höhe und Gestaltung des Lohns für die Mitarbeiter*innen mit Behinderung in unseren Werkstätten. Dieser beträgt im Schnitt etwas über 220 Euro im Monat und wird durch verschiedene Sozialleistungen aufgestockt. Hier wünschen wir uns endlich ein vereinfachtes und gebündeltes Lohnmodell, das die Wertschätzung für die gute Arbeit unserer Mitarbeiter*innen tatsächlich ausdrückt – und das diverse Anträge sowie Gänge zu verschiedenen Ämtern überflüssig macht“, skizziert Oßwald die Ambitionen der Lebenshilfe.

Gemeinsam mit Mitarbeiter*innen mit Behinderung, Werkstatträten und Vereinigungen wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V., die rund 320.000 Werkstattmiterbeiter vertritt, blickt die Lebenshilfe aktuell gebannt nach Berlin, wo sich eine Reform des Lohnmodells anbahnt und Anfang 2024 sukzessive realisiert werden könnte. Dem perspektivischen Gesetzgebungsverfahren durch den deutschen Bundestag geht eine kürzlich veröffentlichte Studie zu dem ambivalenten Thema durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) voraus. Hieraus resultierend werden momentan auf politischer Ebene verschiedene Reformoptionen diskutiert. Wünschenswert aus Lebenshilfe-Sicht wäre etwa die Auszahlung des Werkstattlohns "aus einer Hand" - ein Modell, das das finanzielle Volumen von Sozialleistungen wie z.B. Grundsicherung und Wohngeld von staatsseiten her in den Werkstattlohn direkt integriert und diesen somit auf ein angemessenes und befriedigendes Lohnniveau anhebt.

„Wir hoffen auf eine echte und längst überfällige Verbesserung für unsere Mitarbeiter*innen und sehen die Bundespolitik bei diesem Thema am Zug. Bei allem Optimierungsbedarf in Sachen Entgeltzahlung für Werkstattmitarbeiter*innen durch den Gesetzgeber möchte ich aber auch hervorheben, dass in unseren Werkstätten tagtäglich Hervorragendes geleistet wird – sowohl von unseren Mitarbeiter*innen mit Behinderung als auch von unserem pädagogischen Personal. Für viele Personen ist ihre Tätigkeit sinnstiftend, jedoch bedarf es eben stets auch einer monetären Anerkennung. Gleichzeitig arbeitet die Lebenshilfe verstärkt, mit Hochdruck und wachsendem Erfolg seit Jahren daran, Menschen mit Handicap in regionalen Betrieben oder Behörden oder in sogenannten Inklusionsfirmen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubekommen“, so Dirk Oßwald.

Weitere Informationen zu den Themen Werkstattlohn und Reformforderungen finden Interessierte hier:

Die oben genannte Studie zur Reform des Entgeltsystems für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen finden Interessierte auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Link).