Ein "plusPunkt" für Gießen
Die Lebenshilfe hat in der Sonnenstraße einen Begegnungsladen eröffnet
Gießen (-). Im Herzen der Innenstadt hat die Lebenshilfe Gießen mit dem Begegnungsladen „plusPunkt“ einen Ort für Inklusion und Austausch geschaffen. Die Lage könnte kaum zentraler sein: Das strukturell an die Tagesförderstätten angegliederte Geschäft befindet sich in der Sonnenstraße 12, mitten in der Fußgängerzone. Montags bis freitags können hier künftig die in den Werk- und Tagesförderstätten hergestellten Eigenprodukte der Lebenshilfe erworben werden. Doch neben Geschenkboxen aus Holz, selbstgegossenen Kerzen oder mit Blumensamen gefüllten Postkarten bietet der „plusPunkt“ noch viel mehr. Das Team bestehend aus Menschen mit und ohne Behinderung möchte seine Arbeit sichtbar machen, Berührungsängste abbauen und mit Besucher*innen und Akteuren des Einzelhandels gleichermaßen in Kontakt treten. Dies kann bei einem Verkaufsgespräch, der Erledigung kleiner Aufträge oder einfach bei einer Tasse Kaffee oder Tee geschehen. Zur feierlichen Eröffnung des Begegnungsladens am 17. März waren zahlreiche Gäste an den neuen Lebenshilfe-Standort gekommen, darunter auch Vertreter der Stadt und des Landkreises. Für das Konzept des „hessenweiten Pilotprojekts“, als das Lebenshilfe-Vorstand Dirk Oßwald den „plusPunkt“ hervorhob, gab es durchweg anerkennende Worte.
Ein Zeichen für Inklusion
Maren Müller-Erichsen zeigte sich als Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe Gießen „ganz begeistert von der Räumlichkeit“. Im Sinne der Inklusion sei eine Ausbreitung und Sichtbarmachung im Stadtgebiet enorm wichtig. Der Standort in bester Lage sei geradezu perfekt, „um als Lebenshilfe unser Zeichen zu setzen“, in Kontakt zu gehen und miteinander zu reden. „Ich glaube, dass die Menschen sich hier wohlfühlen werden“, freute sich Müller-Erichsen und wünschte „schöne Begegnungen“. Ihr kürzlich erschienenes autobiografisches Buch „Geliebte Kinder“ (20 Euro, adeo Verlag) ist ab Ende März ebenfalls im „plusPunkt“ erhältlich.
Vorstand Dirk Oßwald thematisierte in seinem Grußwort den „langen, beschwerlichen Weg“, den das Team in den vergangenen anderthalb Jahren seit Ladenanmietung bestreiten musste. So hätten „unglaubliche Hürden“ technischer und baulicher Natur sowie einzuholende Genehmigungen dem „riesen Engagement“ der Mitarbeiter*innen zunächst einen Dämpfer verpasst. „Aber das Ergebnis zählt. Wir sind jetzt da: Mitten in der Stadt“, fasste Oßwald zusammen. Die Lebenshilfe zeige damit zunehmend Präsenz in der Innenstadt. Neben dem „Vortagslädchen“ in der Frankfurter Straße, der Koordinationsstelle Migration und Behinderung sowie dem Büro für Einfache und Leichte Sprache in der Walltorstraße, der „Galerie 23“ und der geplanten Kindertagesstätte im Seltersweg, ist die Arbeit der Lebenshilfe nun mit dem „plusPunkt“ an einer weiteren viel frequentierten Adresse zu finden. „Es freut uns sehr, gesehen zu werden, mit unseren Mitarbeiter*innen, den betreuten Personen und dem pädagogischen Personal“, betonte Oßwald.
Gießens Sozialdezernent Francesco Arman verdeutlichte, dass „Barrieren in erster Linie in den Köpfen entstehen“. Dort setze der „plusPunkt“ als Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung an. „Inklusion kann nur dort stattfinden, wo Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammentreffen und in Austausch miteinander kommen. Genau dies geschieht hier“, zeigte sich Arman von dem Konzept überzeugt. Der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Frank Ide nannte die Arbeit des Begegnungsladens „ein Stück Teilhabe“, auf das Gießen und der gesamte Landkreis „stolz sein“ könne.
Barrierefreier Umbau
Auf die Anfänge des Projekts blickte Karin Reuther, Leiterin der Tagesförderstätten, zurück. Eine entsprechende Anfrage der BAG- Unterstützte Beschäftigung gab es bereits im Jahr 2015. Reuther würdigte auch die Besonderheit, dass die Pläne Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf in den Fokus nahmen, wo sich die BAG- Unterstützte Beschäftigung eigentlich um Personen kümmert, die auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. An dem bald darauf beantragten „Aktion Mensch“-Projekt war ebenfalls unter anderem die „Cooperative Mensch“ aus Berlin beteiligt, die in diesem Rahmen einen „Kiezladen“ eröffnete. „Das passt zu uns als Lebenshilfe Gießen und auch zum Landkreis“, war sich Reuther nach einem Besuch sicher. Nach langer Suche nach einer geeigneten Ladenfläche fand das Team mit Marko Fuhr einen Sozialunternehmen zugewandten Vermieter. Das vorher dort ansässige Bekleidungsgeschäft musste allerdings zunächst barrierefrei umgebaut und mit passenden Sanitäranlagen versehen werden, wie Projektleiter Henning Fuhr, der die pädagogische Leitung der Tagesförderstätten innehat, resümierte.
Nun kann das Team endlich loslegen. Neben dem Produktverkauf soll es für die Mitarbeiter*innen im „plusPunkt“ auch sozialraumorientierte Angebote geben. „Wir gehen raus und schauen, ob wir in der Innenstadt Kooperationspartner für kleinere Dienstleistungen im Rahmen unserer Möglichkeiten finden“, erklärte Henning Fuhr. Mithelfen wird dann auch Moritz, der Sohn von Diane Wieja. „Ich freue mich, dass die Lebenshilfe mit dem „plusPunkt“ einen Ort für die Menschen aus den Tagesförderstätten mitten in Gießen geschaffen hat und wünsche mir, dass sie gesehen werden“, sagte Wieja.
Eindrücke und Stimmen zur Ladeneröffnung wurden von der inklusiven Social-Media-Redaktion „Die Normalos“ filmisch festgehalten. Das Ergebnis ist auf den Kanälen der Lebenshilfe Gießen auf Instagram und Facebook zu sehen. Musikalisch begleitet wurde die Feier von Konstantin Pukownik.
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