Gemeinsam stark seit 65 Jahren: Jubiläumsfeier der Lebenshilfe Gießen und Oldtimerspendenaktion
Gießen - Unter dem Leitsatz "Zusammenhalt und Inklusion" versammelten sich am 6. September zahlreiche Gäste in der Aula der Sophie-Scholl-Schule (Sekundarstufe) in Gießen, um das 65-jährige Bestehen der Lebenshilfe Gießen und das 30-jährige Jubiläum der Oldtimerspendenaktion zu feiern. Die Veranstaltung war nicht nur eine Gelegenheit, um auf die beeindruckende und facettenreiche Geschichte des gemeinnützigen Unternehmens zurückzublicken, sondern auch, um die Vision einer inklusiven Zukunft zu teilen.
Feierlicher Auftakt und inspirierende Rede
Maren Müller-Erichsen, Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe Gießen, hieß die Gäste willkommen und unterstrich die Bedeutung des Anlasses. Sie dankte den Lebenshilfe-Angehörigen und -Mitarbeitern für das anhaltende Engagement und die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte. Die Geschichte der Lebenshilfe in Gießen darf man dabei durchaus als Erfolg bezeichnen: Heute beschäftigt der Unternehmensverbund rund 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 70 Einrichtungen und begleitet tagtäglich rund 3.000 Personen mit und ohne Behinderung. Zu den Dienstleistungen und Angeboten der Lebenshilfe zählen dabei unter anderem Werkstätten, Wohnstätten, Beratungsstellen oder Kindertagesstätten in der Stadt und im Landkreis Gießen.
Ein besonderer Höhepunkt war die Rede von Ulla Schmidt, der Bundesvorsitzenden der Lebenshilfe und früheren Bundesgesundheitsministerin, die zum ersten Mal die Gießener Organisation besuchte. Schmidt sprach von der Lebenshilfe als einer „großen Familie“ und drückte ihren Stolz über die Fortschritte der letzten Dekaden aus: „Ich glaube, Sie können wirklich stolz sein auf das, was Sie in 65 Jahren aufgebaut haben.“ Sie würdigte insbesondere die inklusiven Angebote und den Einsatz der Mitarbeitenden in Gießen: „Viele, die ich treffe, sagen, das ist die Erfüllung meines Lebens – deshalb meinen ganz besonderen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Begeistert zeigte sich Schmidt auch von der Sophie-Scholl-Schule in Gießen: „Ich wünschte mir, in Deutschland würde es mehr solche Schulen geben. Sie lebt ja genau das vor, was wir uns alle wünschen: Inklusion von Anfang an."
Herausforderungen und Zukunftsaussichten
In ihrer Rede ging Ulla Schmidt auch auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen ein, die die Lebenshilfe meistern will. Sie sprach sich gegen die Praxis genetischer Pränataltests während der Schwangerschaft aus und betonte: „Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Pränataltest nicht zum Regelfall in der Schwangerschaft wird. Heute bekommen schon 30 Prozent der schwangeren Frauen diesen Test angeboten. Das ist unethisch, denn es gibt kein wertes oder unwertes Leben.“ Zudem forderte sie eine Reform des Werkstattlohns und eine verbesserte medizinische Versorgung für Menschen mit Behinderung.
Müller-Erichsen, die sich selbst seit vielen Jahren und auch während ihrer Zeit als stellvertretende Bundesvorsitzende der Lebenshilfe gegen Pärnataltests aussprach, dankte Ulla Schmidt am Ende ihrer Rede: „Du hast mir heute sehr aus dem Herzen gesprochen.“ Diese Worte spiegelten die enge Verbundenheit und das gemeinsame Ziel wider, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der alle dazugehören.
Präsentation bedeutender Projekte
Die Jubiläumsveranstaltung bot auch die Gelegenheit, wichtige Projekte und Initiativen der Lebenshilfe Gießen vorzustellen. Reinhard Schade und Tina Gorschlüter präsentierten die Erfolge der Oldtimerspendenaktion, die seit ihrer Gründung im Jahr 1995 zahlreiche Projekte der Lebenshilfe mit Millionenbeträgen finanziell unterstützt hat.
Zusätzlich wurden innovative Ansätze zur Förderung von Inklusion präsentiert, darunter das Social-Media-Projekt „Die Normalos“, das Atelier23, in dem kreative Werke von Künstler*innen mit Behinderungen entstehen und das einen Ausschnitt seines neuen Kino-Dokumentarfilms „Zeppelin oben rechts“ präsentierte. Auch Mitglieder des Sprachcafés der Lebenshilfe gaben eindrucksvolle Einblicke in ihre literarische Arbeit, während das inklusive Tanzprojekt „mehrBewegen“ das Publikum mit einer musikalischen Einlage in Schwung brachte. Den kulinarischen Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten bildete ein Buffet, das die Lebenshilfe-Inklusionsfirma proLiLo Gastrowelt gGmbH bereitgestellt hatte.