Inklusiver Roadtrip: Ein ganz besonderes Festival-Erlebnis

Freitag, 12. Juli 2024

Norbert Jaenisch, Axel von Weyhe und Mustafa Karakas reisen zu Rock am Ring

Gießen (-). Green Day, Queens of the Stone Age, Die Ärzte oder Kraftklub – etliche namhafte Bands standen auch in diesem Jahr wieder auf den Bühnen des legendären Rock-am-Ring-Festivals. Inmitten der rund 80.000 Besucher tummelten sich auch drei Männer mit und ohne Behinderung, die sich von der Lebenshilfe Gießen her kennen – und gemeinsam einen ganz besonderen Roadtrip erlebten.

Und so kam es: Mustafa Karakas arbeitet als pädagogische Fachkraft beim Dienst des Unterstützten Wohnens (UWO) der Lebenshilfe, der Menschen mit Behinderung ambulante Hilfestellungen in den eigenen vier Wänden und somit ein Wohnen in der eigenen Wohnung ermöglicht.

Verschiedene Hintergründe, gemeinsames Ziel

Auch der Gießener Norbert Jaenisch wird vom UWO begleitet, arbeitet zudem in der Werkstatt Lollar der Lebenshilfe - und spielt gerne Keyboard. Er ist von Geburt an blind und ein begeisterter Musiker. Axel von Weyhe, der ebenfalls in Gießen lebt, arbeitet an einem Außenarbeitsplatz innerhalb eines anderen Betriebes, unterstützt durch die Lebenshilfe, und ist seit Jahren ein leidenschaftlicher Festivalgänger, der unter anderem regelmäßig das Burg-Herzberg-Festival bei Alsfeld besucht.

„Axel hatte dann mal mitbekommen, dass ich mit einem anderen UWO-Klienten schon einmal zu Rock am Ring gefahren bin. Er kam dann tatsächlich vier oder fünf Jahre immer mal wieder auf mich zu und fragte, ob er nicht auch mal mit mir dorthin fahren könne. Ich habe mir dann immerzu überlegt, wie wir das hinbekommen könnten, da ich ihm beim UWO eigentlich auch nicht selbst betreue, sondern nur von gemeinsamen Freizeitaktivitäten mit anderen Klienten her kenne“, berichtet Karakas.

Norbert Jaenisch begleitet Karakas wiederum bereits seit Jahren als eigenen UWO-Klienten. „Irgendwann hatte ich dem Norbert mal gesagt: Als Musiker musst du doch eigentlich auch einmal im Leben bei einem Festival gewesen sein – und eigentlich auch mal vor einer Masse gespielt haben“, sagt Karakas lächelnd.

Um dies zu ermöglichen, sprach der 43-jährige Heil- und Erziehungspfleger (HEP) seine Kumpels an, mit denen er jedes Jahr zu Rock am Ring fährt. Diese Freunde kommen aus ganz Deutschland, vom Bodensee und anderen Regionen, und einige von ihnen betreiben die Spaß-Band „The Real Looping Louis“, die auch gerne mal auf dem Festivalgelände spontane Gigs mit ihrem mitgebrachten Equipment veranstaltet. Mitglieder dieser Band sind auch Teil der preisgekrönten Band „Brennpunkt“.

Norbert Jaenischs großer Auftritt

„Ich hatte dann auch gefragt, ob wir nicht auch mal einen Keyboarder als Gastmusiker dabeihaben könnten – und der Norbert war dann tatsächlich auch sofort Feuer und Flamme und hat direkt ein Keyboard organisiert, das wir mitgenommen haben“, berichtet Karakas. Vor Ort, auf dem Areal am Nürburgring, wurde das Keyboard angeschlossen und Norbert Jaenisch stieg direkt ein. „Der braucht keine Texte oder Noten, der hat ein musikalisches Gehör – der hat dann einfach mitgespielt. Inmitten der ganzen Zelte und der Rock-am-Ring-Besucher - und das war richtig gut“, schwärmt Mustafa Karakas.

Die Band coverte Songs von The Police, Rage Against the Machine und anderen bekannten Bands. „Für alle war das eine Erfahrung, auch für meine Jungs. Sie haben gesagt: Der hat wirklich jeden Ton getroffen!“, erzählt Karakas stolz. Viele Festivalbesucher kamen, um Norbert Jaenisch Applaus zu spenden. „Das hat er wirklich zum ersten Mal so erlebt. Besonders beeindruckend war, dass man Norbert nicht immer ansieht, wie er sich fühlt – aber beim Spielen hat er die ganze Zeit gelächelt.“

Das Festival-Feeling genießen

Axel von Weyhe war ebenfalls begeistert von dem dreitägigen Festival-Erlebnis. „Schon beim Zeltaufbau hat er gesagt: Nächstes Jahr komme ich auf jeden Fall wieder hier her“, so Karakas. Während Norbert Jaenisch vor allem das Ziel hatte, einmal vor Publikum zu spielen, wollte Axel in erster Linie das waschechte Festival-Feeling erleben. „Er war immer ganz vorn an den Hauptbühnen, ganz an vorderster Front sozusagen. Manchmal war er erst um 2 Uhr zurück im Zelt. Für ihn, das hat er mir mehrfach gesagt, war es ein ganz besonderes Erlebnis.“

Von Weyhe stimmt seinem Betreuer voll und ganz zu: „Die Musik und das Wetter waren sehr gut. Alle Leute waren supernett, es hat voll Spaß gemacht, dort Essen zu kochen und dass die Musiker an unserem Platz selbst Musik gemacht haben. So etwas möchte ich wieder erleben. Einmal Herzberg-Festival, einmal wieder Rock am Ring mit Mustafa und den anderen – das wäre mein Wunsch."

Norbert Jaenisch, dem natürlich der gemeinsame Auftritt mit „The Real Looping Louis“ am meisten Freude bereitete, ergänzt rückblickend: „Es war schön, mit solch netten Leuten zusammen sein zu können. Wir haben klasse Bands gehört.“

Am Ende des Tages ist sich das Trio also einig: Dieser rundum perfekte Ausflug wird noch lange im Gedächtnis bleiben – und vielleicht findet sich in bei einer nächsten Festival-Saison ja mal wieder die Möglichkeit für einen gemeinsamen Trip vor und auf die Bühnen eines gigantischen Festivals.