„Paradebeispiel für erfolgreiche berufliche Inklusion“
Das Landeskompetenzzentrum Barrierefreie IT im Regierungspräsidium Gießen schafft Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung
Gießen (-). Das Landeskompetenzzentrum Barrierefreie IT (LBIT) und die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle, beides im Regierungspräsidium Gießen (RP) angesiedelt, setzen sich auf vielfältige Weise für gelungene Inklusion ein. Nicht nur im digitalen Raum werden Barrieren abgebaut, auch innerhalb der zuständigen Stabsstelle sind rund zehn Menschen mit jeweils unterschiedlicher Behinderung beruflich tätig. Seit diesem Jahr zählen hierzu auch Melanie Ensinger und Jörg Schlienbecker von der Lebenshilfe Gießen. Im Rahmen eines betriebsintegrierten Beschäftigungsplatzes unterstützen sie einmal wöchentlich bei Übersetzungen von Inhalten in Alltagssprache in die sogenannte Leichte Sprache. Jetzt kamen Vertreterinnen und Vertreter des RP und der Lebenshilfe zusammen, um sich über den erfolgreichen Start der Kooperation auszutauschen.
Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten, Beauftragte für barrierefreie IT der Hessischen Landesregierung und Leiterin des Landeskompetenzzentrums sowie der Durchsetzungs- und Überwachsungsstelle, ihr Stellvertreter und Dezernent Randy Uelman sowie Prüfgruppen-Leitung Jan Barth begrüßten, gemeinsam mit Melanie Ensinger und Jörg Schlienbecker, Dirk Oßwald (Vorstand Lebenshilfe Gießen) und Barbara Domagala, Lebenshilfe-Fachkraft für berufliche Integration. Meyer zu Bexten skizzierte die facettenreiche Tätigkeit ihrer Institutionen im RP, die sich für einen erfolgreichen Abbau von Barrieren auf Webseiten oder in mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen einsetzen. Dies geschieht beispielsweise durch Prüfungen, Beratungen, Schulungen, Gremienarbeit oder die Erstellung eigener Inhalte.
Leichte Sprache sorgt für bessere Verständlichkeit
Insbesondere das Kompetenzzentrum mit seinem alleinigen Fokus auf das Thema IT und Barrierefreiheit sei in Deutschland nahezu einzigartig, berichtete Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten ihren Gästen. Die lernten bei einem Rundgang einige Arbeitsbereiche des LBIT und der Überwachungsstelle kennen, ebenso natürlich den Einsatzort ihrer Werkstattmitarbeiterin und ihres Werkstattmitarbeiters, die seit Februar 2023 eine sogenannte Leichte-Sprache-Prüfgruppe bilden. Hierbei lesen sie die Inhalte in Leichter Sprache, machen Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Die Leichte Sprache ist eine stark vereinfachte Sprachvariante, die darauf abzielt, dass beim Lesen von Inhalten möglichst viel davon auch verstanden wird. Das geschieht etwa durch kurze Sätze, das Auslassen von Fremdwörtern sowie die Zuhilfenahme von Bildern oder Piktogrammen.
Meyer zu Bexten freute sich über die hervorragende Unterstützung durch Melanie Ensinger und Jörg Schlienbecker, die bereits bei der Übertragung mehrerer Dokumente und Online-Formulare in Leichte Sprache mitwirkten. Dies helfe nicht nur Personen mit Behinderung, sondern diene der allgemeinen Verbesserung der Verständlichkeit, merkte Jan Barth, ausgebildeter Übersetzer für Leichte Sprache, an.
„Betroffene können besser erklären, wo Probleme liegen“
Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten betonte die Wichtigkeit der Arbeit von Menschen mit unterschiedlicher Behinderung. Egal, ob es sich um blinde Personen, Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung oder um Arbeitskräfte wie Melanie Ensinger und Jörg Schlienbecker handelt, die eigentlich in einer Reha-Werkstatt der Lebenshilfe für Menschen mit chronisch psychischer Behinderung oder einer sogenannten Tagesförderstätte arbeiten. „Dieser Personenkreis kann bei uns ganz anders Inhalte testen, bewerten oder umsetzen, denn Betroffene können viel besser und mit einer ganz anderen Motivation erklären, wo jeweilige Probleme liegen. Dabei ist es uns auch wichtig, Institutionen wie die Lebenshilfe mit an Bord zu holen, um Betroffenen die Möglichkeit zu bieten, hier zu arbeiten. Das ist bis heute nicht in jeder Landeskompetenzstelle selbstverständlich. Ich finde, dass sich unsere Kollegin und unser Kollege gut eingelebt haben: Sie bringen viele soziale Skills mit, sind überall dabei und gut integriert. Vor allem leisten sie eine wertvolle Arbeit, um Inhalte für alle Menschen, unabhängig ihres Alters oder ihrer Einschränkung, zugänglich zu machen.“
Melanie Ensinger und Jörg Schlienbecker bestätigten diesen Eindruck und zogen ebenfalls eine positive Bilanz. „Wir lernen hier viele Dinge, die wir vorher noch nicht kannten und mit denen man sich erst einmal beschäftigen muss. Bei der Lebenshilfe arbeite ich an den anderen Wochentagen in der digitalen Archivierung und scanne Texte ein. Hier kommt man noch einmal mit ganz neuen Dingen und Leuten in Kontakt - das macht schon Spaß“, erklärte Jörg Schlienbecker.
Lebenshilfe unterstützt Unternehmen und Institutionen
Dirk Oßwald zeigte sich von der vielfältigen Arbeit im Kontext barrierefreier IT beeindruckt und bedankte sich bei Meyer zu Bexten und ihrem Team für die vorbildliche Schaffung inklusiver Arbeitsplätze außerhalb von Werkstätten für Menschen mit Handicap. „Das ist uns als Lebenshilfe Gießen ein großes Anliegen: Dass Menschen mit Behinderung, wo immer es vorstellbar und machbar ist, möglichst in Betrieben oder Institutionen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden können. Hier erkennen wir noch viel Entwicklungspotenzial in der Region. Die Lebenshilfe unterstützt gerne, um Unternehmen und Menschen mit Behinderung beratend und tatkräftig zur Seite zu stehen. Beim RP sehen wir nun ein wirkliches Paradebeispiel für erfolgreiche berufliche Inklusion.“
Der Fachdienst berufliche Integration (FBI) der Lebenshilfe hilft Menschen mit Behinderung, in Betrieben Fuß zu fassen. Hierbei erfolgt zunächst ein Praktikum in einem Betrieb, später können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann vor Ort an einem oder mehreren Tagen dauerhaft oder temporär tätig sein. Sie werden dabei von Lebenshilfe-Fachkräften wie Barbara Domagala unterstützt und behalten ihren Status als Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter währenddessen bei. Ziel ist es, dass Menschen mit Unterstützungsbedarf perspektivisch nicht mehr auf die Unterstützung der Lebenshilfe angewiesen sind und einen regulären Vertrag auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten. Weitere Informationen zum FBI-Angebot der Lebenshilfe Gießen finden interessierte Unternehmen hier.